Ein Blick aus dem Fenster zeigt mit Wasser. Wasser, dass in tausenden Wasserfällen die steilen Klippen der 2km in die Höhe ragenden Bergmassen hinunterstürzt. Wasser, das vom zu fünffacher Größe angeschwollenen Fluss davongetragen wird. Joe meint, er hätte ihn schon höher gesehen. Kaum vorzustellen, aber nach dreiwöchigem ununterbrochenen Regen zwangsweise möglich. Wasser in den in Wirklichkeit gar nicht so tief hängenden Wolken, die sich gegen die Felswände stemmen und sie zu erklimmen suchen. Wasser überall in der Luft in Form von Abertausenden von Regentropfen. Wasser auf der einzigen Straße, die nach Piopiotahi, oder auch Milford Sound, führt; sie ist mal wieder gesperrt. Wasser auf dem Boden auf dem Weg zum Saigon, dem Gemeinschaftshaus, das eine einzige riesige Pfütze bildet. Wieviele Tage ist es wohl her, dass ich trockene Schuhe hatte?
Das Fjordland ist wohl einer der wenigen Orte der Welt, an dem man sich nicht allzusehr über den massenhaften Regen beschwert ( 7m pro Jahr!), hier entfaltet sich erst durch einen ordentlichen Schauer eine ganz besondere Schönheit. Solange genügend Sonnentage übrig bleiben, die ansonsten lebensgefährlichen Tracks der Gegend zu erkunden natürlich. Denn davon gib es hier so einige. Zu meinen Lieblingswegen gehören wohl der Gertrude Saddle und Top of Bowen Falls. Gertrude Saddle führt einen zunächst durch das Tal zweier riesiger, steiler Felswände, und dann steiles Geröll hinauf, immer entlang eines Wasserlaufes. Dann folgt mit Rinnsalen übersäter Fels und ein unheimlich klarer See, in den man natürlich springen muss. Nach etwa zwei Stunden erreicht man den Sattel und wird mit einem unbeschreiblichen Blick auf ein sich in der Weite verlierendes Tal belohnt. Das Ganze erinnert von der Vegetation her ein wenig an die Hochalpen, den Weg muss man sich selber suchen und selbst mit dem Walk bekannte Menschen müssen ab und zu mal umkehren und sich eine neue Strategie um ans Ziel zu kommen ausdenken.
Ähnlich verhält es sich mit dem Weg zur Spitze des 163m hohen Lady Elizabeth Bowen Wasserfalls. Ohne jemanden, der schonmal da gewesen ist, kann man nicht hoffen, das Ziel zu erreichen und selbst mit Barton und Flo mussten wir das ein oder andere Mal umkehren. Solch einen Weg bin ich noch nie gelaufen, oder soll ich besser sagen, geklettert? Durch dichtesten Regenwald führt der meistens nur dadurch, dass sich der Wald dort ein wenig lichtet, erkennbare Pfad. Baumwurzeln dienen als Stufen und Brücken, umgestürzte Bäume als Hindernis, ab und zu gilt es eine nahezu senkrechte, nasse, mit Moos bewachsene Steinwand mithilfe eines Seils zu erklimmen und zum krönenden Abschluss folgt ein Balanceakt auf einem schier endlosen, ebenfalls nass und glitschigem Rohr, das nebenbei bemerkt ganz Milford Sound mit Wasser und Strom versorgt. Niemand von uns schaffte es ohne wenigstens einmal zu fallen, die Kunst bestand dann darin, sich möglichst wenig zu verletzen und es irgendwie wieder aus dem Dickicht herauszuschaffen. Dann eine Leiter hinunter ( wer hat die wohl dorthin geschafft?) und man befindet sich am Flussbett. Es folgt ein Felsenmeerartiger Abstieg, bis man letztlich, erschöpft, zerkratzt und mit blauen Flecken, am Viewpoint angelangt. Der Ausblick auf den Milford Sound und den Mitre Peak ist atemberaubend und so sitzt man dort, zur Rechten einen Wasserfall der sich in einem kleinen Becken sammelt, bevor das Wasser dann zur Linken in die Tiefe stürzt, Abermillionen von winzigen Tröpfchen, die um einen tanzen und in den fast schon horizontalen Sonnenstrahlen funkeln und glitzern.
Neben den Walks hier gibt es ansonsten noch ein Gym ( ich hätte nie gedacht, dass ich Spaß daran finden könnte, in einem kleinen Raum mit grauen Geräten zu hantieren, aber der Regen bringt einen zu absonderlichen Dingen) und ein kleines Dorf von etwa 250 jungen Arbeitern der Tourismusbranche, die jede Gelegenheit nutzen, eine Party zu schmeißen, auch unser Hostel trägt ordentlich dazu bei. Auch eine weitere Fahrt auf dem Sound und eine vierstündige Kajaktour bekam ich hier spendiert, beides gleichermaßen beeindruckend, wobei man im Kajak bis auf einen Meter an die Robben rankam und unter einen der riesigen Wasserfall paddelte, während der Cruise natürlich bequemer war.